Vom schöpferischen didaktischen Sprung

Heute Morgen treffe ich mich mit einem Freund im Café. Wir reden ausführlich über ein Thema, das uns seit genau 20 Jahren beschäftigt: Die Didaktik im Allgemeinen und die Didaktik des ICT-Einsatzes im Gymnasialen Unterricht im Besonderen (siehe dazu auch unser Buch ). Im Verlauf dieses Gespräches kristallisieren sich bei mir folgende Thesen und Fragen heraus (vermutlich nach dem Motto: Wie kann ich wissen, was ich denke, wenn ich nicht höre, was ich sage?):

  • Der Übergang vom konventionellen Unterricht zu Projekt orientiertem, selbst gesteuertem Unterricht ist kein Übergang für die Lehrpersonen, sondern ein Sprung (analog dem von 0 auf 1).
  • Es gibt Lehrpersonen, die diesen Sprung wagen – andere wagen ihn nicht:
    - Welches sind die Gründe für die einen und für die anderen: Ist es eine Sache des Lehrer-Typs? Der beruflichen Motivation? Der Infrastruktur der Schule? Des kollegialen Umfelds?
    - Gibt es Bedingungen (innere, äussere), welche diesem Sprung förderlich sein könn(t)en?
  • Seit zwanzig Jahren werden Weiterbildungskurse zur Technik und zur Didaktik des ICT-Einsatzes durchgeführt; Hunderte von Lehrpersonen haben sie durchlaufen: Waren (sind) diese Kurse nachhaltig? Gibt es Untersuchungen über die Wirksamkeit und die Nachhaltigkeit solcher Weiterbildungen?
Verena Kast hat 1987 ein Buch vorgelegt mit dem Titel: Der schöpferische Sprung. Um einen solchen Sprung dürfte es meiner Ansicht nach gehen, wenn eine Lehrperson ihre Didaktik wesentlich umstellt (also nicht nur mit Gruppenarbeitsphasen ergänzt oder gelegentliche Gesprächssequenzen im Kreis einführt). Dieser Sprung wurde zwar in der Fachliteratur inzwischen vielfach beschrieben, häufig in Form eines Anforderungskatalogs dessen, was Lehrpersonen, die „modern“ unterrichten wollen, drauf haben müssen an methodischem und technischem Wissen (eine aktuelle Illustration liefert auch Beat Döbeli Honegger in seinem Referat mit – über – trotz vom 17. 3. 2017 – siehe untenstehende Folien). Dieser Sprung scheint indes für manche Lehrpersonen (zu) schwierig zu sein – aus Mangel an Mut? Wegen fehlendem Interesse an didaktisch Neuem („bis jetzt hat ja alles gut funktioniert!“)? Aus Angst vor so etwas Diffusem wie Kontrollverlust?
Wer bereit ist, die inneren Bilder von sich als Lehrer*in und von den Schüler*innen zu verändern, wer vertieft(er) über die bisherige persönliche Interpretation des Berufsauftrages nachdenkt, der fasst sich vielleicht erst recht ein Herz und wagt den schöpferischen Sprung ins (vorerst) kalte Wasser einer anderen Didaktik?!
Aber was genau braucht es, damit dieser Sprung gewagt wird?
                                                                         
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